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Mit Cochlea-Implantat zum binauralen Hören

Experteninterview

Teil 2: Einseitige Ertaubung und binaurales Hören

Der Physiker Dr. Reinhold Schatzer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den audiologischen Grundlagen des Hörens und der Erforschung implantierbarer Hörsysteme, insbesondere bei einseitiger Ertaubung (Single-Sided Deafness, SSD).

Im Experteninterview erläutert er die besonderen Herausforderungen für Menschen mit einseitiger Ertaubung und erklärt, wie sich SSD auf deren Lebensqualität auswirkt.

 

Welche Möglichkeiten empfehlen Sie zur Wiederherstellung von binauralem Hören nach einseitiger Taubheit (SSD)?

RS: Die einzige therapeutische Möglichkeit, um wieder binaural zu hören, ist das Cochlea-Implantat (CI). Die Versorgung von SSD-Patient*innen mit einem CI ist in Deutschland und Österreich seit 2013 zugelassen.

Was unterscheidet das CI von anderen Hörlösungen?

RS: Während CROS- und Knochenleitungssysteme den Schall auf das gesunde Ohr umleiten, versorgt ein Cochlea-Implantat das ertaubte Ohr direkt. Es ermöglicht binaurales Hören, verbessert die Hörleistung im Störlärm und reduziert die Höranstrengung signifikant. Ein CI kann auch den Tinnitus am betroffenen Ohr verbessern.

Kann ein CI also das Richtungshören wiederherstellen?

RS: Ja, das ist der entscheidende Vorteil des CI gegenüber CROS-oder BAHA-Systemen. Ein CI stellt die Fähigkeit zur Schalllokalisation wieder her. Davon profitieren Nutzer*innen in vielen Alltagssituationen, etwa im Straßenverkehr, und beim Verstehen in lauter Umgebung.

Wie wichtig ist der Zeitpunkt der Versorgung?

RS: Bei erworbener SSD sind auch viele Jahre nach dem Verlust des Hörvermögens auf einem Ohr noch gute Erfolge mit dem CI möglich. Voraussetzung dafür ist jedoch ein systematisches und konsequentes Hörtraining, insbesondere auch mit dem CI allein, in den ersten Monaten nach Implantation. Bei Kindern mit angeborener SSD ist eine frühe Versorgung jedoch entscheidend, da sich die betroffene Hörbahn sonst durch neuronale Reorganisation zurückbilden kann.

Was ist bei der Prozessoranpassung zu beachten?

RS: Eine vollständige Abdeckung der Hörschnecke mit der CI-Elektrode sowie eine anatomiebasierte Anpassung, die die Tonotopie Cochlea bzw. der CI-Elektrode individuell nutzt, kann für ein möglichst natürliches Hören von Vorteil sein. So lässt sich der Höreindruck des CI-versorgten Ohrs an das gesunde Ohr angleichen. Auch hier ist ein konsequentes Hörtraining in der Anfangsphase nach Implantation von Vorteil.

Demnach spielt Rehabilitation bei einseitiger Ertaubung eine wichtige Rolle?

RS: Ja, bei SSD-Nutzer*innen ist Reha entscheidend. Hörübungen, die direkt ins CI gestreamt werden können, trainieren gezielt das implantierte Ohr. So lässt sich die Hörleistung deutlich steigern. Außerdem gewöhnt man sich schneller an den anfangs ungewohnten Klang des CI.

Herr Schatzer, was ist Ihr abschließendes Fazit zur CI-Versorgung bei SSD?

RS: Die CI-Versorgung ist heute eine bewährte und effektive Lösung bei einseitiger Ertaubung. Sie verbessert nicht nur die Hörleistung und Klangqualität, sondern auch die Lebensqualität. Vor allem bei Kindern mit kongenitaler SSD sollte eine frühe Behandlung erfolgen.

 

Zur Person:
Dr. Reinhold Schatzer ist Senior Research Engineer bei MED-EL und Experte für Schallkodierung und Signalverarbeitung.

 

>> Lesen sie hier Teil 1 des Experteninterviews: Einseitige Ertaubung: Wenn das zweite Ohr fehlt.

 

Detaillierte Patientenfälle zur individuellen Hörversorgung bei einseitiger Ertaubung finden Sie hier:

 

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